Der Plan allein ist beeindruckend: Sie wollen den Gipfel des 5.000 Meter hohen Mount Blackburn in Alaska erklimmen. Die erste Etappe wird mit einer Skitour absolviert. Anschließend klettert das Team durch einen Eisbruch und überquerte den Grat mit dem Snowkite. Vom Gipfel wird der Gleitschirm genutzt, um in das Basislager zurückzukehren. Das Trio ist zurück von einer 4-wöchigen Expedition. Ihr vorhaben war einmalig, die Umsetzung nicht ganz wie geplant. Wir haben mit Andreas Hillmer über die Herausforderung am Mount Blackburn gesprochen.
Was hattet ihr vor?
Beim Mount Blackburn Project wollten wir extreme Sportarten verbinden, von denen man es auf Anhieb nicht erwartet. Und zwar nicht einfach nur so, sondern wirklich sinnvoll. Klassischer Alpinismus, Snowkiten und Gleitschirmfliegen. Klingt erstmal komisch. Wenn man sich aber vorstellt, dass man lange Passagen von bis zu 30 Grad Steigung mit dem Kite zurücklegen kann, ohne viel Kraft zu verbrauchen, dann ist das der Wahnsinn. Wenn man auch noch nur geringfügig mehr Gewicht bei sich hat und das Ganze schnell ein und ausgepackt hat, dann wird es noch interessanter. In wenigen Minuten hat man den Kite in der Luft. Mehr als einen Kletter- oder Hochtourengurt braucht man dann auch nicht mehr. Kommt man dann an eine schwierigere oder steile Passage ist der Kite auch schnell wieder verstaut und man kann sich mit Pickel und Steigeisen weiter fortbewegen.
Ist man dann oben am Gipfel angekommen, liegt bei einer normalen Besteigung oft das schwierigste noch vor einem: Der stundenlange Abstieg. Den kann man sich komplett sparen, wenn man sich an einen Gleitschirm hängt und in wenigen Minuten ins Tal segelt.
Wir wollten einfach etwas komplett Neues zeigen und klar machen, dass der Bergsport seine Grenzen noch lange nicht erreicht hat. Und das alles an einem 4996m hohen Eisriesen mitten in Alaska, war unser großer Traum. Der Mount Blackburn immerhin der fünft höchste Berg der USA.
Wie entstand die Idee zum Vorhaben?
Interessanterweise machen wir alle extrem viel Sport. Jeder auf seine Weise, aber immer mit gewissen Überschneidungen. Basti ist ein wahnsinnig guter Kitesurfer und Snowkiter. Nicht umsonst ist er Deutscher Meister auf dem Wasser und zweimal Juniorenweltmeister auf dem Schnee geworden. Philip ist ein exzellenter Skifahrer und Gleitschirmflieger. Ich mache seit Jahren alpinen Bergsport, also alles vom Bouldern über Klettern, Eisklettern, Skihochtouren bis hin zu großen Nordwänden. Irgendwann haben wir uns gedacht, warum wir unsere Skills nicht verbinden und jeder das zu einem Projekt beiträgt, was er am besten kann.
Wie habt ihr euch vorbereitet?
Vorne weg: Die Vorbereitungen haben fast zwei Jahre gedauert. In dieser Zeit gab es für uns fast nichts anderes. Beziehungen und Freundschaften haben ganz schön darunter gelitten.
Man muss die Vorbereitungen dann auch nochmal unterteilen, denke ich.
Zum einen ist da die physische Fitness. Da waren wir extrem viel laufen und im Winter natürlich auf Skitouren. An jedem freien Wochenende sind wir mit den Zelten in die Berge um Action zu machen. Kiten, Gleitschirmfliegen, Bergsteigen. Einfach alles und möglichst in Kombination. Wir wussten, dass wir am Mt. Blackburn flexibel sein müssen. Und da galt es, alles Mögliche zu trainieren, was einem ein extremer Berg abverlangen kann.
Zum anderen musste natürlich die ganze Logistik vorbereitet werden. Ein solches Unternehmen ist nicht ganz billig, und so mussten wir Sponsoren von unserer Idee gewinnen. Glücklicherweise ist uns das mit super Partnern geglückt.
Tage und Nächte verbrachten wir dann mit der Planung. Wir wollten es unbedingt aus eigener Kraft schaffen den Berg zu bezwingen. Wir wollten keinen ortskundigen Guide engagieren und so möglicherweise Kompromisse eingehen. Das Problem ist, dass es von diesem Berg kaum gute Bilder zur Planung gibt. Ausführliche Tourenberichte oder genaues Kartenmaterial, wie man es aus dem Alpenraum kennt, sind ebenfalls nicht vorhanden. Aber auch das hat natürlich seinen Reiz. Man weiß einfach, dass nicht alles planbar ist und ein großer Rest Ungewissheit bleibt.
Welche Ausrüstung ist unverzichtbar für eine solche Tour?
Im Allgemeinen bildet die Basis eine klassische Ski-Hochtourenausrüstung: Eisgeräte, Steigeisen, Tourenski. Dann noch Kites und Gleitschirme. Das alles sollte natürlich so leicht wie möglich sein, denn da kommt schon eine Menge an Material zusammen.
Im speziellen herrschen in Alaska dann doch noch mal etwas andere Bedingungen als in den Alpen. Häufige Whiteouts, also quasi null Sicht, machen ein GPS unverzichtbar. Ohne geht man nicht vors Camp. Wir haben die Situation erlebt: Starker Schneesturm, ca. 100 km/h Wind. Sobald man sich auch nur wenige Meter vom Camp entfernt, verliert man komplett die Orientierung.
Das GPS ist auch auf Tour extrem wichtig. Mit den Kites erreicht man eine Geschwindigkeit von 60-70 km/h. Da ist man schnell ganz weit von allem entfernt, auch von Leuten die einen hören können (auch ganz wichtig: Funkgeräte!). Im GPS muss also vor allem das Basecamp markiert sein, um im Notfall sicher wieder zurück zu finden. Außerdem lassen sich damit gefährliche Spalten markieren. Super praktisch war es auch nach unserem ersten Aufstieg zum Highcamp. Dort haben wir erst einmal Zelte, Gas und Proviant vergraben. Wenn es jetzt aber in zwei Tagen mehr als einen Meter schneit, findet man das Materiallager nie wieder. Außer man hat es im GPS mit einem Punkt markiert. Hat super geklappt bei uns.
Für das Basecamp waren natürlich noch sturmfeste Zelte unverzichtbar. Zum Teil hatten wir sie mit doppeltem Gestänge gegen Sturm und Schneemassen ausgestattet. Und dass man warme (Daunen-) Klamotten (inklusive Daunenschuhe) in Alaska braucht und natürlich einen super warmen Schlafsack, versteht sich bei Temperaturen um -15 Grad im Basecamp von selbst. Pro 1000 Höhenmeter wird es dann nochmal jeweils zehn Grad kälter. Vom Wind ganz zu schweigen.
Wie sah euer Basecamp aus?
In unser Basecamp haben wir richtig viel Zeit und harte Arbeit investiert. Zunächst sondiert man mit der Lawinensonde, ob man sein Zelt nicht gerade auf einer Gletscherspalte aufbaut. Wir sind also gut 15×15 Meter abgelaufen. Dann haben wir Blöcke aus Schnee und Eis ausgehoben auf einer Fläche von etwa 12×10 Metern. Das ganze einen halben Meter tief. Wir brauchten Platz für drei Schlafzelte und zwei Material- bzw. Gemeinschaftszelte. Um das Camp herum wurden Mauern aufgetürmt bis zu einer Höhe von knapp zwei Metern. Diese sollten Schnee und Wind abhalten. Das hat größtenteils auch gut funktioniert. Trotzdem mussten die Zelte bei starkem Schneefall und Sturm immer wieder frei geschaufelt werden, sonst drücken die Schneemassen das Zelt einfach ein. Insgesamt haben wir fast drei Tage geschuftet, bis unsere kleine Festung stand.
Wie habt ihr die Nächte verbracht?
Die Nächte in Alaska zu dieser Jahreszeit (wir waren von Mitte April bis Mitte Mai dort) sind extrem kurz. Das hat einen großen Vorteil: Man kann extrem früh starten, zum Beispiel um 2 Uhr früh, und hat trotzdem noch genug Licht um den schwierigen Aufstieg zu erkennen. Daran muss man sich aber gewöhnen, also bei Tageslicht früh ins Bett zu gehen. Wenn wir am Nachmittag oder Abend von einer Tour zurückkamen, haben wir erst einmal gekocht. Dann noch ein bisschen gequatscht und die Bilder und Videos mit unserem Kameramann Daniel Bartsch gesichtet. Dann natürlich noch geplant, was in den nächsten Tagen so ansteht und gecheckt, was das Wetter so macht. Je nach dem, was am nächsten Tag anstand, sind wir dann eben früher oder später in unsere Zelte und Schlafsäcke gekrochen.
Ihr habt den Aufstieg zum Gipfel sieben Mal versucht und habt immer wieder abgebrochen. Was war der Grund?
Hier ist “Vernunft” das Stichwort. Das Wetter hat einfach nicht so mitgespielt, wie wir es gerne gehabt hätten. Aber damit muss man in Alaska rechnen. Für den Aufstieg zum Gipfel des Mt. Blackburn vom Basislager aus hatten wir mit 3-4 Tagen gerechnet. Leider hatten wir nicht einmal ein so großes Zeitfenster, ohne dass die Wettervorhersage nicht Schnee uns Sturm angesagt hätte. Außerdem muss man nach heftigem Schneefall und Wind auf die Lawinensituation achten. Das ist echt beeindruckend, ständig rauschen um einen herum die Lawinen ab. Das Geräusch ist fast allgegenwärtig. Trotzdem haben wir es siebenmal versucht, und mussten siebenmal an oder in der schwierigen NW-Flanke umkehren. Was soll man machen. Wir haben viel diskutiert und zum Teil auch gestritten, aber am Ende die aus meiner Sicht einzig richtige Entscheidung getroffen: So wichtig der Gipfel für uns ist, so sehr wir es uns wünschen, lebend herunter zu kommen hat oberste Priorität.
Wie habt ihr die Zeit genutzt, wenn die Bedingungen zum Aufstieg zu schlecht waren?
Wenn das Wetter wirklich total schlecht war, haben wir die Zeit hauptsächlich mit Kochen und Lesen verbracht. Hat es geschneit und gestürmt, mussten wir uns auch um unser Camp kümmern. Der Schnee auf den Zelten kann so schwer werden, dass er sie komplett eindrückt. Und so gut und hoch unsere Camp-Mauern auch waren, komplett konnten sie den Schnee nicht draußen halten. Deswegen hieß es oft: Schaufeln, Schaufeln, Schaufeln.
Wenn das Wetter im Basecamp ok war und wir nicht Richtung Gipfel starten konnten, weil es weiter oben einfach zu schlecht war, dann sind wir mit den Kites über den Nabesna-Gletscher gefahren. Das war wirklich der Wahnsinn. Diese weite und die absolut atemberaubende Kulisse! Meilenweit nichts und niemand anderes. Nur wir und die Berge. Diese Ausgesetztheit übt eine wahnsinnige Anziehungskraft auf uns aus.
Wie fühlt es sich an, sieben Mal die Entscheidung zu treffen, das Vorhaben abzubrechen und letztendlich ohne Erfolg heimzukehren?
Am Anfang war es sehr schwer. Man reist mit einer großen Erwartungshaltung nach Alaska, fühlt sich gut vorbereitet. Dann will und will es nicht klappen. Das frustriet sehr. Wir hatten ein Ziel, einen Traum und den konnten wir uns einfach nicht erfüllen. Mittlerweile geht es ganz gut. Ich habe viel mit Leuten gesprochen, die extreme Expeditionen machen und am Ende kommen dann doch alle zum gleichen Schluss: Es ist das wichtigste heil nach Hause gekommen zu sein. Der Berg läuft uns nicht davon. Wir können wieder fahren. Wir können einen anderen Berg planen. Wir sind noch jung und haben noch viel vor. Am Berg und auch sonst im Leben.
Wie geht es jetzt weiter, gibt es ein Nachfolgeprojekt?
Noch gibt es nichts Konkretes. Kurz nach dem Projekt hatten wir auch alle kurz mal die Nase voll von Eis und Schnee. Erstmal wieder Freunde und Familie treffen und ein “normales” Leben führen. Schließlich sind wir alle keine Profis und haben unsere alltäglichen Jobs. Mich persönlich zieht es im Moment ein bisschen in Richtung Rennrad fahren und Triathlon.
Aber ich weiß genau, es wird nicht mehr allzu lange dauern, da wird es uns wieder packen. Schließlich konnten wir unser Projekt noch nicht erfolgreich abschließen. Und wir sind alle sehr ehrgeizige Menschen! Ob es wieder Alaska sein wird, oder ein anderer verlassener Teil dieser Erde, wissen wir noch nicht. Es gibt viele tolle Orte: Patagonien oder Russland zum Beispiel. Aber noch gibt es keine konkreten Pläne.
Hier ist der offizielle Film des Mount Blackburn Projekts mit atemberaubenden Bildern:
Mehr Infos zum Projekt:
http://blackburn2014.com/