(von Alexander Balow) „Was guckst du denn da immer auf die Karte?“ Die Liebste steht hinter mir und schaut verwirrt auf den Bildschirm. Seit Tagen schon beobachtet sie immer wieder, wie ich eine Google-Karte öffne, auf einen Pin starre und dabei stirnrunzelnd den Kopf neige. „Geohashing“, sage ich. Und spätestens jetzt legt auch die Liebste die Stirn in Falten. „Du meinst…“, nein, falle ich ihr ins Wort. Ich meine nicht Geocaching, ich meine Geohashing.
Am Zielort gibt es nichts – und das bezieht sich nicht nur auf ein fehlendes Logbuch, sondern manchmal auch auf die Umgebung. Denn es geht nicht um markante, landschaftlich bedeutsame oder geschichtlich relevante Orte. Es geht nur um schnöde Koordinaten. Im Wald, mitten auf einem Acker, im Zweifel auch in einem See.
Was denn dann der Reiz wäre, will die Liebste mit Nachdruck wissen. Sie kennt das ja vom Geocaching: Fund der Dose und Eintrag ins Logbuch sind Adrenalin genug, um die nächste Dose in Angriff zu nehmen. Was der Reiz ist, kann ich nur für mich beantworten: genau an diese Orte zu gelangen. Mitten auf einem Feld, mitten im Wald, hoch auf einem Berg – oder im Zweifel in einem See. In „meiner“ Homezone ist das aufgrund maximaler Erhebungen von 20 Metern über Null (ich übertreibe, aber so fühlt es sich hier an) womöglich deutlich entspannter als in anderen Gegenden.
„Und wenn du dann direkt an den Koordinaten bist?“
„Dann mache ich einen Selfie.“
„Und warum machst du das?“
„Weil ich meine Expedition dokumentieren will.“
„Nein, warum machst du DAS, dieses Geohashing!“
Soll ich ihr sagen, dass es natürlich manchmal auch etwas knifflig ist und deshalb reizvoll, wenn ich entgegen meiner Natur nicht direkt, sondern nur über Umwege an einen Punkt komme? Ich entscheide mich für Buzzwords: „Digital, Outdoor, Gadgets – und Bewegung“. Das wirkt. „Ich hab Spaß dran“, ergänze ich. Die Liebste lacht. Ich weiß nur nicht, worüber.
Der Algorithmus, und das haben Algorithmen (ich mag dieses Wort) gerne an sich, ist nicht so trivial. Die Erklärung lautet: Ein Koordinatenpaar wird für jede 1 Grad mal 1 Grad große Zone (die sogenannte „graticule“) aus dem aktuellen Datum und dem Eröffnungswert des Dow-Jones-Index (wirklich!) als Ziel errechnet. So sieht der Algorithmus aus: http://wiki.xkcd.com/geohashing/The_Algorithm Klingt erstmal kompliziert, ist es für jeden Nicht-Mathematiker und Physiker auch. Glücklicherweise übernehmen andere die Rechenarbeit, am Ende erscheint auf einer Karte für jede Zone ein Pin. Und das wiederum ist, worum es Geohashern geht: das heutige Ziel.
„Gibt es denn nicht mal ein Online-Logbuch oder sowas?“ Die Liebste lässt nicht locker. Unvorstellbar, dass ich irgendwas mache/unternehme/tue, über das ich nicht auch im Netz iiiirgendwelche Notizen hinterlassen kann. Sie kennt mich sehr gut. Denn die Expedition, wie die Reise zu den Zielpunkten genannt wird, wird selbstverständlich online dokumentiert. Ein Selfie – in der Regel – am Nullpunkt findet Eingang ins Wiki.
Ich sitze nun seit Tagen immer wieder vor der Karte und schaue, wo der aktuelle Zielpunkt in meiner Zone ist. Oft sind mir die Punkte zu weit weg, um „mal eben schnell“ und nur deshalb dorthin zu fahren. Nur einmal lag der Punkt halbwegs erreichbar – aber der Zeitpunkt war nicht passend.
Ich berichte von meinem Erfolg, während ich im Wiki ein Foto logge. Für mich lag der Reiz primär darin, das Geohashing auszuprobieren. Spannend ist für mich, tatsächlich Orte aufzusuchen, die ich noch nicht kenne – ohne sich Highscorelisten, Punkten oder Badges zu unterwerfen.
„Und, willst du das jetzt häufiger machen?“, fragt die Liebste und lächelt mich an. Ich öffne die Karte und schaue, wo der morgige Hash hinführt.
Was du für Geohashing brauchst:
- die Karte, um die aktuellen Punkte zu ermitteln (http://carabiner.peeron.com/xkcd/map/map.html)
- einen GPS-Empfänger für die Navigation zum Nullpunkt
- alternativ gibt es Apps für iPhone und Android (http://wiki.xkcd.com/geohashing/Implementations/Apps)
Wie du am besten vorgehst:
- ermittle den aktuellen Punkt mit Hilfe der Karte oder einer App
- auf der Karte kannst du die Punkte beliebiger Zonen ermitteln http://carabiner.peeron.com/xkcd/map/map.html
- übertrage das Ziel auf deinen GPS-Receiver oder nutze eine App, um dich führen zu lassen
- mache dich mit der Umgebung am Ziel vertraut
- wie erreichst du den Zielort am besten?
- ist der Nullpunkt erreichbar?
- brauchst du ggf. Hilfsmittel, um den Nullpunkt zu erreichen?
- mache dich auf den Weg
- verzichte auf unnötige Fahrten mit dem Auto. Viel schöner ist es mit dem Rad.
- beachte, dass du dich oft in der Natur befindest. Das Befahren und Betreten von z.B. Wäldern ist unter Umständen nicht gestattet
- bewege dich nur auf öffentlichem Gelände. Privatgelände ist tabu.
- achte auf dich und begib dich nicht unnötig in Gefahr
- erreiche den Nullpunkt
- dein GPS-Gerät wird dich sicher zum Nullpunkt führen
- mache ein Foto von dir genau am Nullpunkt
- schaue dich um, vielleicht gibt es hier noch etwas zu entdecken?
- dokumentiere deine Expedition
- ein Foto (und ggf. eine Beschreibung) deiner Expedition lesen andere Geohasher gerne
- schaue, wer sich in deiner Umgebung vielleicht noch auf den Weg gemacht hat