Die Mongolei – ein Land, viereinhalb Mal so groß wie Deutschland. Jedoch mit weniger Einwohnern als Berlin aber einem Vielfachen an Pferden. Ein Land, in dem die Menschen größtenteils immer noch als Nomaden leben und das Pferd das wichtigste Mittel zur Fortbewegung ist. Ein Land, dem Dschingis Khan entsprang, der die Welt mit seinen Eroberungszügen in Angst und Schrecken ver- setzte und ebenso eine kulturelle Revolution in Gang brachte.
Für Rahel und Jana geht ein lang gehegter Kindheits- traum in Erfüllung, als sie im August in eben dieses Land reisen, um eine 3-wöchige Expedition zu Pferd zu starten. Als Kontrapunkt zum seriösen Alltag suchen sie wann immer möglich das Abenteuer irgendwo dort draußen. Skurrile Begegnungen, außergewöhnliche Orte, die Schönheit des Ungewissen, unterwegs sein, die üblichen Irrungen und Wirrungen. Nach einem 15-stündigen Flug geht es vom Flughafen in Ulaan Baatar direkt los durch die von Smogwolken umhüllte Betonwüste.
Links und rechts des Weges grasen einzelne Yaks und Pferde, der Jeep weicht den Tieren und zahlreichen Schlaglöchern auf der Straße aus, bis sie sich schließlich – der Hauptstadt entflohen – in schönster Hügellandschaft mit weitläufigem Blick über Bergketten und frei umherlaufenden Pferdeherden wiederfinden. Über einen im Vorfeld geschlossenen Kontakt können Rahel und Jana in den darauf folgenden Tagen zwei Reitpferde und ein Packpferd erwerben, mit denen sie die nächsten Wochen unterwegs sein werden. Möchte man keine geführte Tour machen, ist es einfacher Pferde zu kaufen anstatt sie zu leihen. Die Gefahr, dass die Pferde unterwegs von Pferdedieben gestohlen werden oder Wölfen zum Opfer fallen, ist den Mongolen doch zu groß. Um vor dem Start der Expedition die Ausrüstung noch mit Satteltaschen, Zaumzeug, Seilen, Pflocks etc. zu vervollständigen, stattet man am besten dem riesigen Black Market in Ulaan Baatar einen Besuch ab. Dort gibt es alles, was das Abenteurerherz begehrt und man spart sich, die unhandlichen Sachen im Flugzeug mitzunehmen.
Nach einer abenteuerlichen 1 ½ tägigen Fahrt mit einem Lastwagen, der Rahel, Jana und die Pferde zum 400km westlich von Ulaan Baatar entfernten Startpunkt befördert, kann es endlich losgehen. Das Packpferd wird nach höchsten Packkunstprinzipien bepackt, die beiden Reitpferde gesattelt und das Gespann macht sich auf den Weg. Ein ungefähres Ziel haben sie vor Augen. Als Orientierung dienen vor allem die Flüsse, auf die man auf dem Weg von Zunbayan Ulaan über die 8 Lakes nach Hujirt immer wieder stößt. Außerdem in fremden Ländern immer hilfreich: Ein GPS-Gerät, wie beispielweise das Garmin Oregon 600, das auch Rahel und Jana dabei hilft, sich den Weg durch dieses Land zu bahnen, in dem Orientierungshilfen wie Beschilderungen oder Wegweiser so gut wie nicht existent sind. Die Orientierungs- schwierigkeiten lassen auch nicht lange auf sich warten: Weit und breit ist von dem in der russischen Generalsstabskarte eingezeichneten Fluss nichts zu sehen und noch des Öfteren scheint die Karte mehr von einer lebhaften Fantasie als von der tatsächlichen Umgebung inspiriert. Mit Hilfe des äußerst robusten und handlichen Oregons können sich die Abenteurer aber gerade in den ersten Tagen super orientieren, bis der Fluss endlich vor den Augen auftaucht und die Orientierung mit Karte und Kompass wieder leichter fällt.
Der Fluss schlängelt sich Richtung Westen, an seinen Seiten grasen Yakherden mit verspielt über die Wiese tollenden Kälbern, die weiche Nachmittagssonne lässt die Landschaft in einem goldenen Licht erstrahlen. Die fast den Boden streifenden Wolken geben der Landschaft eine surreale Atmosphäre. Die Weite der Steppe erstreckt sich soweit das Auge reicht – dann und wann sieht man ein Ger (so nennt man hier das traditionelle Zelt der Nomaden) in der Ferne leuchten. In Naiman Nuur, der 8-Seen-Region, lässt man die Steppe hinter sich und begibt sich in bewaldetes Gebiet mit kristallklaren Bergseen vulkanischen Ursprungs. Auf den Berghängen blüht der Enzian, man fühlt sich fast wie in der Schweiz. Die trittsicheren Pferde klettern wie Gämse die steilen Hänge hinauf, queren 3000er Gebirgspässe, balancieren über Lavageröll, durch dichten Wald, heilige Ovoos werden umrundet und reißende Flüsse durchquert. Für die tapferen Mongolenpferde alles kein Problem. Dem Packpferd, das das Zelt, Schlafsäcke, das Essen und die gesamte andere Ausrüstung trägt, kann man nach einigen Tagen sogar schon soweit vertrauen, dass man es ohne Führseil sein eigenes Tempo bestimmen und frei mitlaufen lassen kann. Mittlerweile fühlt man sich als eingeschweißtes Team. Abends, wenn das Zelt aufgebaut, die Pferde versorgt und angepflockt sind, sitzt man mit der auf dem Benzinkocher improvisierten warmen Mahlzeit unter klarem Sternenhimmel, lauscht dem zufriedenen Pferdeschnauben und hat das Gefühl, das Nomadendasein ewig so weiterführen zu können. Ab und zu erscheint aus dem Nichts ein Mongole auf seinem Pferd und mit Händen und Füßen gelingt es, Smalltalk zu halten. Auch ohne gemeinsame Sprache kann man sich verständigen.
So auch, als sich plötzlich ein Hagelsturm zusammenbraut. Die Temperaturen bewegen sich im einstelligen Bereich, erste Hagelkörner fallen zu Boden. „Wasser wird vom Himmel fallen, wir müssen Zelte aufschlagen“, so versuchen Jana und Rahel mit ihren spärlichen Mongolischkenntnissen die Gruppe der sichtlich faszinierten Mongolen davon zu überzeugen, sie weiter ziehen zu lassen. Aber mongolische Gastfreundschaft ist ein absolutes Gebot. Einer der Mongolen zieht eine überdimensionale Airagflasche und eine 1 Liter fassende Keramikschüssel hervor und füllt diese großzügig. Mit der krümelig weißlichen Flüssigkeit finden auch einige Streichhölzer ihren Weg in die Schüssel. “Trinkt, trinkt!” ruft der über das ganze Gesicht freudestrahlende Mongole aus. Rahel und Jana starren auf das Gebräu, in dem die Streichhölzer friedlich ihre Bahnen ziehen, schließen die Augen und stürzen einen halben Liter hinunter – der Geschmack von saurem Essig explodiert auf der Zunge. Sie lächeln schwach und versichern “sehr gut”. Die Streichhölzer immerhin scheinen ganze Arbeit zu leisten, die Gedärme rebellieren nicht. Inzwischen umringt von der gesamten 15-köpfigen Großfamilie wird die Ausrüstung begutachtet, über die Verwendung der einzelnen Gegenstände gefachsimpelt und die Kaufpreise der Pferde erfragt. Einer der Sättel bietet Anlass zur Beanstandung. Der Braune wird abgesattelt, der Sattelgurt abgenommen und die Gurtnadel mit einem Stein zurechtgebogen. Zum Abschluss bekommen Rahel und Jana noch zwei Dosen Bier geschenkt – sie teilen im Gegenzug deutsche Gummibärchen aus und machen sich zum Abstieg bereit.
Am Orkhon River entlang geht es schließlich zu dem mit 24m größten Wasserfall der Mongolei, dem Orkhon Waterfall. Wieder sieht die Landschaft ganz anders aus. Nachdem man den tosenden Wasserfall bestaunt hat, muss man sich zunächst wieder in die Hügel schlagen, um zum Tövkhön Monastery zu gelangen, eine der ältesten buddhistischen Klosteranlagen, die auf steilen Serpentinenwegen durch dichten Wald zu erreichen ist. Die 3 Wochen neigen sich leider dem Ende zu. Laut dem Garmin Oregon ist der geplante Endpunkt Hujirt nur noch einige Kilometer entfernt. Nach ca. 300 Kilometern, vielen Höhenmetern, zahlreichen Einladungen in Gers auf einen Milchtee oder den berühmt-berüchtigten Airag (fermentierte Stutenmilch) fällt es schwer, die Mongolenpferde wieder zu verkaufen. Dieses wunderschöne Land mit atemberaubenden Landschaften, gastfreundlichen Menschen und einzigartigen Pferden ist aber auf jeden Fall eine Reise wert. Und Rahel und Jana sind sich einig, dass dies gewiss nicht das letzte Abenteuer für sie in der Mongolei war.