„Von O bis O – Oktober bis Ostern“, so lautet die gängige Regel für die Zeitpunkte zum halbjährlichen Reifenwechsel. Der Oktober ist vorbei – haben Sie Ihr Auto bereits mit Winterreifen ausgerüstet? Und auch eine Reifendruckkontrolle vorgenommen?
Falls Sie ein Auto mit Erstzulassung vor dem 1. November besitzen, gehören Sie zu den glücklichen Fahrzeughaltern, die den Reifenwechsel noch günstig in der Werkstatt des Vertrauens oder gar selber vornehmen können. Bei neueren Autos sieht das in Zukunft anders aus – Schuld ist das Reifendruckkontrollsystem (RDKS), das seit 1. November diesen Jahres Pflicht für alle Neuwagen ist.
Wer braucht ein System zur Reifendruckkontrolle?
RDKS steht für Reifendruckkontrollsystem und kontrolliert – wie der Name schon sagt – den Druck aller vier Autoreifen. Alle Neuwagen der Klassen M1 und M1G (PKW und Wohnmobile mit höchstens 8 Sitzplätzen außer dem Fahrersitz und Geländewagen), die nach dem 1. November 2014 zugelassen oder nach dem 1. November 2012 typgenehmigt wurden, müssen mit einem RDKS gefahren werden. Ganz leicht zu überprüfen ist das Datum der Typgenehmigung übrigens im Fahrzeugschein unter Ziffer 6. Steht da ein Datum vor dem 1. November 2012, betrifft Sie diese neue EU-Verordnung zumindest für dieses Fahrzeug nicht.
Bei einer Typgenehmigung nach dem 1. November 2012 hat der Wagen das RDKS bereits serienmäßig verbaut – zu erkennen an der entsprechenden Taste im Cockpit oder an der Warnleuchte, die beim Anstellen der Zündung kurz aufleuchtet. Doch warum wird nun ein System, ohne das man in den vergangenen Jahrzehnten scheinbar problemlos ausgekommen ist, plötzlich verpflichtend?
Einer Studie des Reifenherstellers Bridgestone zufolge, kontrollieren nur 40% der Fahrzeughalter regelmäßig den Reifendruck. „Regelmäßig“ bedeutet dabei nach Empfehlungen des TÜV Süd, mindestens einmal im Monat (in den Übergangsmonaten, wenn die Temperatur stark schwankt, sogar wöchentlich) den Druck zu kontrollieren. Tatsächlich ist die „Luftdruckstation“ an den Tankstellen eher das Stiefkind der Autofahrer. Anscheinend wird das geliebte Fahrzeug lieber wöchentlich auf Hochglanz poliert, als dass der Luftdruckschlauch den Reifenventilen zu Nahe kommt. Ausnahmen bestätigen hierbei natürlich die Regel.
Vorteile des optimalen Reifendrucks
Tatsächlich ist wohl jedem klar, dass ein Reifen einen gewissen Luftdruck besitzen sollte, ansonsten fährt das Auto ja auf den Felgen. Aber wieso muss es denn ausgerechnet dieser ganz bestimmte Druck (den man übrigens meist im Tankdeckel oder an der Türinnenseite angegeben findet) sein? Ganz einfach: Ein zu niedriger oder auch zu hoher Reifenfülldruck führt zu stark veränderten Fahreigenschaften des Autos, was zum Beispiel bedeutet, dass das Auto in Kurvenlage ein instabiles Fahrverhalten an den Tag legt. Außerdem nutzen sich die Reifen so wesentlich schneller ab, das Auto verbraucht mehr Kraftstoff und stößt somit auch mehr CO2 aus und – last but not least – verlängert ein zu niedriger Reifendruck den Bremsweg zusätzlich. Ein Versuch von Continental zeigt das deutlich: Während ein Auto mit 100 km/h und optimalen Reifendruck auf nasser Fahrbahn nach 50 Metern zum Stehen kommt, verlängert sich – bei einem halben Bar Reifendruck weniger – der Bremsweg bereits um sieben Meter. Und sieben Meter mehr oder weniger zwischen Ihrem Auto und dem Kind, das plötzlich zwischen zwei parkenden Autos auf die Straße springt, bedeutet einen gravierenden Unterschied.
Deshalb also hält es die EU für nötig, alle Neuwagen mit einem System zur Reifendruckkontrolle auszurüsten. Dabei gibt es allerdings zwei verschiedene Kontrollsysteme: Das direkte und das indirekte System.
Das direkte System zur Reifendruckkontrolle (RDKS)
Beim direkten Reifendruckkontrollsystem befinden sich im jeweiligen Reifen einzelne Sensoren, die sowohl den Luftdruck, als auch die Lufttemperatur überprüfen. Dabei können die Sensoren entweder an der Innenseite des Ventils oder direkt auf der Felge angebracht sein. Über Funk werden diese Daten zunächst an die Datenverarbeitung übermittelt und anschließend gegebenenfalls im Display des Fahrzeugs angezeigt. Sinkt der Luftdruck, wird der Fahrer durch ein Warnlämpchen im Cockpit darauf aufmerksam gemacht. Die Stromversorgung ist dabei durch Batterien gesichert, die laut Hersteller eine Laufzeit von sechs bis sieben Jahren oder 100.000 bis 150.000 Kilometern haben.
Vorteile dieses Systems sind, das eine hohe Genauigkeit bei der Messung gegeben ist und einige Zusatzfunktionen, wie Temperaturmessung, Reifenpositionserkennung, Überwachung des Ersatzrades, sowie Luftdruckmessung im Stand möglich sind. Allerdings gibt es auch einige Nachteile, denn wie oben bereits angesprochen, können diese Reifen nur noch mit speziellem Zubehör gewechselt werden, das einen Besuch in der Autowerkstatt für den Reifenwechsel fast unerlässlich macht. Dieser wird durch den höheren Arbeitsaufwand allerdings teurer ausfallen als bisher, denn neben dem eigentlich gewünschten Reifenwechsel fällt zusätzlich noch das Kontrollieren der Ventile, Scannen der Sensoren und die Dokumentation an. Außerdem müssen sowohl die Winter- als auch die Sommer- und Ersatzreifen mit Sensoren ausgestattet werden. Denn wie bereits erwähnt, sind die Sensoren im Reifen verbaut und werden bei Abnahme von diesem ebenfalls entfernt.
Das indirekte RDKS
Anders sieht die Sache beim indirekten Reifendruckkontrollsystem aus. Dieses nutzt zur Ermittlung des Reifendrucks die vorhandenen Sensoren von ESP und ABS. Diese Sensoren überprüfen, wie schnell sich die Räder drehen. Wird ein Rad plötzlich schneller als die anderen, geht das System davon aus, dass der Umfang des Rads geschrumpft und somit auch der Luftdruck verringert worden ist. Außerdem machen sich diese Sensoren den sogenannten Frequenzeffekt zu Nutze. Die Reifen weisen nämlich eine charakteristische Schwingung auf, die vom Druck innerhalb des Reifens abhängig ist. Verändert sich diese Schwingung, wird ein Druckverlust angenommen und beim Fahrer im Cockpit angezeigt.
Klarer Vorteil des indirekten Systems zur Reifendruckkontrolle ist, dass beim Reifenwechsel kein zusätzlicher Aufwand und keine Mehrkosten entstehen, da das System ja über ESP und ABS läuft und nicht im Reifen verbaut ist. Allerdings geht dies auf Kosten der Genauigkeit. Fällt der Druck beispielsweise in allen Reifen gleichzeitig ab, interpretiert das System das nur als Veränderung der Geschwindigkeit und löst keine Warnung aus. Zusätzlich funktioniert das System nicht im Stand, sondern nur, wenn das Auto läuft.
Die gute Nachricht: Alle Autos, die vor dem 1. November 2012 typgenehmigt wurden, entkommen diesem Gesetz – nachgerüstet werden muss nämlich nicht. Doch spätestens bei der nächsten Neuanschaffung gilt wieder: Augen auf beim Autokauf!