Ein rotes Bändchen an meinem Handgelenk hat mir als Kind angezeigt: hier ist „links“! Wie alle Kinder musste auch ich in der Grundschule lernen, rechts von links voneinander zu unterscheiden. Anfangs war das gar nicht so einfach: Merksätze wie „Links ist, wo der Daumen rechts ist“ haben mich damals eher noch mehr verwirrt. Der Trick mit dem roten Band am Handgelenk hat bei mir hingegen klasse funktioniert. Vor allem beim Fahrradfahren schielte ich immer wieder hinunter, um mich im Straßenverkehr zurecht zu finden. Dabei ist der Orientierungssinn eigentlich angeboren.
Kinder verstehen als erstes die Bedeutung des Wortes „in“. Bis zu ihrem dritten Geburtstag können sie sich auch unter „hinter“ und „vor“ sowie „auf“ und „unter“ etwas vorstellen. Das liegt unter anderem daran, dass die Schwerkraft dem Menschen schon früh unmissverständlich klar macht, wo oben und wo unten ist. Spätestens, wenn einem das erste Mal etwas auf den Fuß fällt…Doch warum ist es für Kinder so schwierig zu lernen, wo links und wo rechts ist? Die Antwort ist im Grunde nahe liegend: Links und rechts sind eine Frage der Perspektive. Was für den einen links ist, kann für die andere Person rechts sein.
Die Einteilung in links und rechts ist also eine kulturelle Strategie, die man von seinen Eltern beigebracht bekommt. Im Alter von etwa sechs Jahren können Kinder die beiden Seiten erst einmal nur am eigenen Körper unterscheiden. Den meisten gelingt es mit acht Jahren erstmals, die Begriffe richtig auf die Körper anderer anzuwenden. Sicher sagen, ob sich ein Gegenstand links oder rechts von einem anderen Gegenstand befindet, können Kinder erst mit ungefähr elf Jahren. Räumliches Denken und Verstehen stellen für sie somit eine der ersten großen intellektuellen Herausforderungen dar.
Da mag es für uns Westeuropäer seltsam klingen, dass die meisten Sprachen dieser Welt für links und rechts gar keine Begriffe kennen. Für viele Sprecher indo-germanischer Sprachen steht der Mensch nicht im Zentrum. Stattdessen sehen sie ihn als Teil der Umwelt und orientieren sich an Fixpunkten in der Umgebung wie Berge, Seen oder Flüsse. In etwa einem Drittel der 6000 Sprachen, die weltweit gesprochen werden, kommen Äußerungen vor wie „Das Glas steht südlich vom Teller“. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass sich der Mensch aus der Evolution heraus vorrangig an der Umgebung und den Himmelsrichtungen orientiert. In einem Experiment gelang Kindern die Orientierung an Norden, Süden, Osten und Westen besser als am Links-Rechts-System.
Ohne die Unterscheidung zwischen links und rechts klappt es jedoch auch hierzulande nicht. Durch die Einteilung wurde es für uns als Kinder erst möglich, Rechnen, Lesen und Schreiben zu lernen, von der Straßenverkehrsordnung ganz zu schweigen. Aber wie können wir Erwachsene den Kleinen nun helfen zu differenzieren, mal abgesehen vom Bändchen am Handgelenk? Pädagogen empfehlen zum Beispiel Puzzle- und Legespiele. Auch Bausteine können die Kids beim Verstehen von links und rechts unterstützen. Trotz aller Eselsbrücken bleibt die Unterscheidung aber wohl ein Leben lang eine kleine Herausforderung. Oder geht es Dir nicht auch so, dass du selbst heute noch hin und wieder die Seiten verwechselst? Trotz aller schlauen Sprüche wie „Links ist, wo der Daumen rechts ist“…