Klein, aber oho: Weltraumschrott gefährdet Satelliten

Alles Gute kommt von oben? Wohl nicht immer: Wagaizewo, Sibirien, 24. Dezember 2011 – ausgerechnet auf das Dach eines kleinen Häuschens in der Straße der Kosmonauten knallt ein 50 Zentimeter großes Stück Metall. Reste eines Satelliten, sagen die Behörden.

Klingt nach großem Zufall. Doch so unwahrscheinlich ist dieses Ereignis gar nicht. Zum einen gibt es in vielen russischen Städten und Dörfern eine Straße der Kosmonauten. Zum anderen fällt – statistisch betrachtet – jeden Tag ein Stück Weltraumschrott auf die Erde. Was da runter kommt, reicht vom Blechteil, das der Bauer mit der Schubkarre vom Acker holen kann, bis hin zum kompletten Satelliten im Autobusformat. Ernsthaft verletzt worden ist durch derartigen kosmischen Niederschlag bisher niemand. Meist plumpst der Müll in die menschenleere Tundra oder versinkt im Ozean.

galaktischer Müll im Weltall

Sorgen bereiten den Experten von NASA, ESA und Co. deshalb weniger die herunterfallenden Gegenstände, von denen die meisten beim Eintritt in die Erdatmosphäre ohnehin verglühen. Problematisch ist jener galaktische Müll, der in höheren Umlaufbahnen verbleibt: dort, wo heute schon rund 800 Satelliten und jährlich zusätzlich 100 neue künstliche Erdtrabanten ihre Bahnen ziehen. Nach Schätzungen sausen etwa 600.000 Teilchen mit einem Durchmesser größer als einem Zentimeter um die Erde herum. Jedes dieser Teilchen stellt im Falle eines Zusammenstoßes ein ernsthaftes Risiko für die Funktionsfähigkeit eines Satelliten dar.

Und schon ein Teil mit einem Durchmesser von zehn Zentimetern würde beim Aufprall eine Energie freisetzen, die einer Sprengkraft von mehreren Kilogramm TNT entspricht. Bei einem Volltreffer wird aus dem Satelliten somit ein Puzzle. Mittlerweile werden auch Satelliten selbst füreinander zur Gefahr: Am 10. Februar 2009 stießen in rund 790 Kilometern Höhe der ausrangierte russische Satellit Kosmos-2251 und der amerikanische Kommunikationssatellit Iridium-33 mit einer Geschwindigkeit von 27.000 Stundenkilometern zusammen. Übrig blieben rund 600 Trümmerteile. Und jeder zerstörte Satellit erhöht mit seinen Resten die Wahrscheinlichkeit weiterer Kollisionen. Es entsteht gewissermaßen eine Kettenreaktion.

Die Zerstörung eines oder mehrerer Satelliten könnte weitreichende Folgen haben:

Telekommunikationsnetze oder Navigationssysteme könnten empfindlich gestört werden. Moderne Navigation basiert im Wesentlichen auf Satellitensystemen wie dem russischen GLONASS, dem amerikanischen NAVSTAR-GPS und bald dem noch im Aufbau befindlichen europäischen Projekt Galileo. NAVSTAR arbeitet mit rund zwei Dutzend Satelliten, die Daten für unzählige GPS-Geräte liefern. Ein totaler Blackout durch den Ausfall eines einzelnen Satelliten ist jedoch unwahrscheinlich, weil in allen Systemen Reserve-Satelliten bereitstehen.

Einzelne Forschungs-Satelliten lassen sich dagegen nicht umgehend ersetzen. Und selbst die gegen Kleinstpartikel geschützte Internationale Raumstation ISS musste kürzlich ein Ausweichmanöver einleiten, weil etwas Größeres im Anflug war. Dass etwas geschehen muss, ist klar. So muss, wer heute einen Satelliten ins All schießt, ihn nach Gebrauch auch sicher aus dem Verkehr ziehen, ihn notfalls zurückholen. Größere Trümmer lassen sich in Zukunft vielleicht mit einem Laser pulverisieren. Den Rest gilt es ebenfalls im Auge zu behalten. Die NASA etwa registriert Weltraumschrott ab einer Größe von einem Zentimeter in einer Datenbank. Allein können die Weltraumagenturen diese Herkulesaufgabe nicht bewältigen. Um Satelliten schützen zu können, hat die DARPA, die Forschungsagentur des US-Verteidigungsministeriums, deshalb kürzlich Amateur-Astronomen aufgerufen, sich an der Beobachtung des Weltraumschrotts zu beteiligen. Ganz nach dem Motto: Navigation geht alle an.

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