VO2max, Puls und Co – Die Sujew-Twins im Interview

10374894_590299641069325_137511794836394198_nDiana und Elina Sujew sind Deutschlands schnellste Zwillinge auf der Mittelstrecke. Wir wollten wissen, was euch brennend interessiert und stellen eure beliebtesten Fragen von Facebook, Twitter und Co. den beiden Läuferinnen. Lest hier, was die Sujew-Twins von Vo2max halten, wie sie über Alternativtraining denken und wie ein typischer Tag im Hause Sujew abläuft.

Welche Rolle spielt die Bestimmung und Verbesserung von VO2max in eurem Training? 

Als zum Thema VO2max-Wert: Wir glauben, dass er schon viel über die Ausdauerfähigkeit eines Läufers aussagt. Es ist interessant und sicherlich wichtig zu wissen, wie hoch er ist. Wir selber haben natürlich auch schon auf dem Laufband so einen Test gemacht, jedoch haben wir ihn noch nie im Training berücksichtigt. Es war einfach – sagen wir mal so – ganz „nett“ zu wissen, wie hoch er ist. Wir sind früher eher nach dem VL3 gelaufen, also der Geschwindigkeit bei Laktat 3 (Erklärung siehe Exkurs am Ende des Beitrags). Anhand diesen Werts haben wir unsere Dauerläufe meistens gesteuert. Wobei man nie vergessen darf, dass diese Tests immer im Labor stattfinden, was also nicht 100% der Realität entspricht.

Wie funktioniert das mit dem VO2max? Reicht es, wenn ich immer eine hohe Herzfrequenz laufe, um den VO2max-Wert zu erhöhen?

Wir selbst sind keine Wissenschaftler und daher ist die Frage, wie das mit dem VO2max funktioniert, für uns schwierig zu beantworten. Allerdings stimmt es schon, dass man, wenn man ihn verbessern möchte, eher im höheren GA1 Puls-Bereich trainieren sollte, als im extrem niedrigen Bereich.

302570_141975305901763_1570242799_nWie schafft man es, beim Intervalltraining auch die letzten Einheiten noch mit hoher Tempohärte zu laufen? Bei einem Intervalltraining (10 x 400 m) laufe ich höchstens die ersten 6 Intervalle zügig. Die letzten 4 Intervalle sind nur noch Quälerei.

Wenn man beim Intervalltraining die letzten 4 Läufe absolut nicht mehr kann, dann macht man definitiv etwas falsch. Denn laut der Definition sind im Intervalltraining mehrere Läufe enthalten, die bis zur Ermüdung führen, jedoch nicht komplette Ausbelastung beinhalten sollen. Entweder sollten die Pausen verlängert werden, wenn man unbedingt die Zeiten einhalten will, oder aber man läuft einfach die ersten Läufe ruhiger. Man muss immer das Gefühl haben, da würde jetzt noch mehr gehen. Aber so wird ja schon in den nächsten Lauf immer mit einer größeren Erschöpfung reingegangen. Das Training darf schon anstrengend sein, aber keine maximalen Läufe eben.

Diejenigen, die sich in der Aufbauphase befinden, sollten versuche,n die Pausen nicht zu lang zu machen. Vielleicht ca. 200m Trabpause, dafür die Läufe dementsprechend nicht zu schnell. Und schon gar nicht die ersten – wenn dann den letzten Intervalle. Um den gewünschten Trainingseffekt zu erzielen, muss man schon sehr auf sein Gefühl hören und es auf keinen Fall übertreiben.

Betreibt ihr neben dem Laufen noch andere (Ausgleichs-)Sportarten?

Das Laufen ist ein Vollzeitjob, da bleibt keine Zeit mehr für andere Sportarten. Es sei denn, man ist verletzt. Dann geht man aufs Rad oder ins Wasser. Aber diese Sportart ist schon sehr intensiv – auch, wenn nicht in großem Maße zeitaufwendig. Trainiert man aber 2-3 Einheiten am Tag, mit Vor- und Nachbereitung und auch mal Physiotherapie, dann bleibt nicht viel Zeit für andere Sportarten, wenn man auch noch ein normalen Alltag haben möchte. Und viele vergessen, dass Regeneration auch zum Training gehört!

Welche Gewichtung hat spezielles Lauftraining im Vergleich zum Alternativtraining in der Wettkampfvorbereitung?

Viele unterschätzen Alternativtraining, man kann viel mehr Umfang machen und somit die Ausdauer „schonend“ verbessern, wenn man auch leicht verletzungsanfällig ist. In der Aufbauphase gehen wir auch öfter aufs Rad oder ins Wasser, um den Körper nach der Saisonpause nicht gleich von 0 auf 100 zu bringen. In der Wettkampfvorbereitung allerdings machen wir Mittelstreckler schon spezielle Läufe, die den Körper an die Renngeschwindigkeit gewöhnen sollen und die Laktattoleranz verbessern. Dieses Training kann man leider schwer durch das Alternativtraining ersetzen. Auch das Gefühl, in den Spikes zu laufen, ist wichtig.

10525778_626891187410170_7154426548199837092_nWomit belohnt ihr euch nach einem harten Wettkampftag?

Wir beide finden es wichtig, dass man mit Belohnungsprinzipien arbeiten sollte. Sich alles zu verbieten, nur weil Wettkampfsaison ist, ist in unseren Augen nicht das Richtige. Kleine Belohnungen, auch nach hartem Training oder einem erfolgreichem Wettkampf, sind enorm wichtig für den Kopf. Sei es eine Shoppingtour (bei der man auch mal mehr ausgeben darf als sonst) oder mal eine Tafel Schokolade, wenn man sich normalerweise nur ein Stückchen gönnen würde.

Wie sieht bei euch so ein normaler Trainingstag aus?

Nach dem Aufstehen sofort die erste Einheit – Frühstück – die zweite Einheit erfolgt dann gegen 11 – Mittagessen – Mittagsruhe – dritte Einheit gegen 16 oder 17 Uhr – Abendessen – Schlafen.

Hört sich unspektakulär an -natürlich hat man auch Zeit für sich um zur Ruhe zu kommen. Jedoch sind wir im Trainingslager meist so erschöpft, dass wir relativ zeitig ins Bett gehen, um am nächsten Tag wieder fit zu sein. Im Trainingslager muss man meistens nicht selber kochen oder Wäsche machen oder den Haushalt schmeißen, was sehr praktisch ist. Denn wenn man eine Belastungswoche mit 3 Einheiten am Tag zu Hause hat, sieht es ein wenig anders aus mit der Freizeitgestaltung… Da muss man neben dem Training noch Haushalt machen, einkaufen und will ja auch was mit Familie/Freunde unternehmen.

Zum Glück sind wir immer in den umfangreichen Phasen im Trainingslager und haben Entlastung, wenn wir daheim sind. Dann hat man auch mehr Zeit für andere Dinge.

Trainiert ihr manchmal auch drinnen, wenn das Wetter draußen so gar nicht mitspielt? Wenn ja, was genau macht ihr und was könnt ihr den Lesern als besonders effektiv empfehlen?

Wir versuchen natürlich als Läufer viel draußen zu machen, denn jeder Läufer weiß, wie nervend Laufbänder sind. Wenn es aber gar nicht geht oder nass-kalt ist, dann will unser Trainer, dass wir aufs Laufband gehen, um eine Erkältung zu vermeiden. In der Hallensaison gehen wir auch für die Tempoläufe in die Halle, um das „Hallenfeeling“ zu bekommen und auch um mit den Kurven klar zu kommen. Denn eine 200m Bahn ist schon etwas anderes als eine 400m Bahn. Grundsätzlich spricht nix gegen Indoor-Training, wenn es glatt ist, oder Sturm und Hagel draußen herrscht. Nicht vergessen darf man die Steigung auf dem Laufband, die wir immer auf 1% stellen, so läuft man auch selber und nicht nur das Band für einen.

10409392_597655310333758_8259682022708067201_nHört ihr im Training und im Wettkampf eher auf euer Gefühl oder richtet ihr euch strikt nach den Vorgaben und angezeigten Werten (HF, pace…)? Sind euer Trainingscomputer und der Brustgurt bei jedem Training und Wettkampf dabei?

Das Thema Puls ist in unserer Trainingsgruppe eigentlich nicht so wichtig. Jedoch laufen wir beide schon mit Pulsgurt – einfach um  zu schauen, ob der Puls beispielsweise mit dem Gefühl übereinstimmt oder eher nicht. Der Puls lügt nie und so kann man schon z.B. die Dauerläufe danach steuern. Jedoch darf man sich nicht verrückt machen, wenn er einmal zu hoch war oder die anderen einen viel niedrigeren Puls bei demselben Tempo hatten. Jeder muss seinen individuellen Puls finden und danach laufen – nicht den groben Richtwert als Maßstab nehmen. Dennoch laufen wir bei den Tempoläufen und bei den zügigen Dauerläufen nach der Tempovorgabe und nicht nach Puls. Denn es ist im Endeffekt bei den schnellen Tempoläufen egal, ob man da einen Puls von 190 oder mehr hat. Entscheidend ist dabei, dass man die vorgegebene Zeit schafft. Der Pulsgurt ist meistens nur bei den normalen Dauerläufen dabei, den Garmin Forerunner möchten wir nie mehr missen.

 

Exkurs
GA = Grundlagenausdauer: bildet die Grundlage des gesamten Ausdauertrainings. Zu unterscheiden in GA1 (Training unterhalb der anaeroben Schwelle, also mit 60-70% des Maximalpulses (lockerer 20km-Lauf)) und GA2 (Training an der Schwelle vom aeroben zum anaeroben Bereich mit 70-80% des Maximalpulses (Intervalltraining/schnelle kurze Tempoläufe)). Egal welche Ausdauersportart man betreibt: Zuerst sollte fast ausschließlich im GA1-Bereich trainiert werden. Erst wenn diese Basis geschaffen ist, kommt der GA2-Bereich hinzu.
Laktat: Wenn während einer intensiven Ausdauerbelastung der über die Atmung aufgenommene Sauerstoff nicht ganz ausreicht, um den im Muskel benötigten Energiebedarf zu decken, entsteht das saure Stoffwechselprodukt Laktat (Quelle: sportdiagnostik.de). Laktat ist also ein guter Indikator für die objektive Beurteilung der Ausdauerleistungsfähigkeit. Ab einer bestimmten Belastung produziert der Körper mehr Laktat, als er wieder abbauen kann. Diesen Punkt nimmt man als anaerobe Schwelle an. Ausdauersportler sollten nur gezielt oberhalb dieser anaeroben Schwelle trainieren, weil ansonsten der erhoffte Trainingseffekt ausbleiben könnte.
vL3: So nennt man die anaerobe Schwelle bei 3 mmol/l Laktat, die das Niveau der aeroben Leistungsfähigkeit im Hochleistungstraining repräsentiert. vL3 ist also die Geschwindigkeit, die der Läufer bei 3 mmol/l Laktat erreichen kann. Je näher diese Geschwindigkeit an der Wettkampf-Zielgeschwindigkeit liegt, umso eher ist eine Erfüllung anspruchsvoller Leistungsziele möglich. Wollen Langstreckler ihre Ausdauerbasis deutlich verbessern muss das Ziel sein, möglichst lange (15 – 25 km) in einer relativ hohen Geschwindigkeit zu laufen. (Quelle: Leichtathleten Coaching Academy)

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